Ist die Kastration die schnelle Hilfe bei aufdringlichen und aggressiven Rüden? Das erhoffen sich viele Hundehalter, die ihren testosterongeladenen Hund in der Pubertät nicht mehr in den Griff bekommen. Aber auch das Vermeiden von Läufigkeitsblutungen bei Weibchen verleitet den einen oder anderen Hundebesitzer dazu, die Hündin kastrieren zu lassen. Daher ist die Kastration mittlerweile leider zu einem Routineeingriff in vielen Praxen geworden. Doch tut man mit einer Kastration dem Hund auch wirklich etwas Gutes?
Kastration Hund – Eine Entscheidung zum Wohl des Tieres?
Laut dem Tierschutzgesetz ist der Eingriff der Kastration bei einem Tier nur nach ärztlicher Indikation erlaubt oder zur Verhinderung unkontrollierter Vermehrung, wie es bei freilaufenden Katzen der Fall ist. Auch der Deutsche Tierschutzbund hat 2017 eine Bekanntmachung herausgegeben, die erneut darauf hinweist, dass „die Unfruchtbarmachung von Hunden nur im Einzelfall und nur nach gründlicher Abwägung der für das Individuum resultierenden Vor- und Nachteile erfolgen darf. So sei auch in Deutschland die generelle Unfruchtbarmachung von Hunden verboten.“(0)
Es hat sich zwar mittlerweile eingebürgert, dass man Hunde nach Lust und Laune kastriert, dennoch findet langsam auch ein Umdenken statt, sowohl bei Tierhaltern als auch bei Tierärzten. Die Anzahl der Ärzte, die Hunde ohne jeden triftigen Grund kastrieren, schwindet und Hundebesitzer zweifeln diese Maßnahmen ebenfalls an.
Denn eine erhoffte Verhaltensänderung ist kein triftiger Grund, um einen Hund kastrieren zu lassen. Häufig ist es sogar so, dass Verhaltensauffälligkeiten nach der Kastration noch zunehmen. Doch das ist nur eines von weiteren Nachteilen, die sich später entwickeln können.
Nachteile einer Kastration beim Hund
Mögliche Nachteile einer Kastration werden nicht immer direkt in den ersten Wochen nach der Operation sichtbar, sie können sich auch erst ein paar Jahre später bemerkbar machen. Dabei können zu den Nebenwirkungen genauso Verhaltensänderungen und Aggressivität gehören so wie auch ein höheres Risiko für Tumore und andere Erkrankungen.
Eine Studie aus den USA hat unter Einbezug von 3062 reinrassigen Hunden gezeigt, dass bei kastrierten Hunden ein zweifach erhöhtes Risiko für einen Knochentumor vorlag als bei nicht kastrierten Hunden.(1)
Eine weitere Studie, ebenfalls aus Amerika, zu gesundheitlichen Auswirkungen bei früh kastrierten Labradorhunden hat festgestellt, dass frühkastrierte Rüden (bis zu 1 Jahr) ein doppelt so häufiges Risiko für eine HD (Hüftdysplasie) und ein bis zu dreimal höheres Risiko für die Bildung von Lymphosarkomen aufweisen.(2) Das kann daran liegen, dass durch die Kastration ihre natürliche Entwicklung gestört wird und die Hunde zu früh aufhören, die wichtigen Gonadenhormone (Geschlechtshormone) zu produzieren, welche einen enormen Einfluss auf das Wachstum des Tieres haben. Auch weisen kastrierte Hunde ein höheres Risiko für Hypothyreosen (Schilddrüsenunterfunktion) auf im Vergleich zu ihren nicht kastrierten Vierbeinern.(3)
Weitere oft auftretende Nebenwirkungen einer Kastration bei Hunden sind Übergewicht trotz angepasster Futterration, Inkontinenz, vermehrt auch bei Weibchen, sowie Fellveränderungen mit Neigung zu vermehrter Unterwolle, Haarausfall oder stumpfem anfälligen Fell. Außerdem darf man nicht vergessen, dass es sich hier immer noch um eine Operation unter Vollnarkose handelt. Operationen sind nie risikofrei, auch wenn es sich dabei um Routineeingriffe handelt. Denn jeder Eingriff und jede Narkose belastet den Organismus des Hundes, wovon er sich erst einmal erholen muss.
Bevor man sich dazu entscheidet, seinen Hund kastrieren zu lassen, sollten die Vor- und Nachteile abgewogen werden. Bei Unsicherheit bietet sich ein Gespräch mit dem Tierarzt des Vertrauens an. Es schadet auch nicht eine zweite Meinung von einem Tierheilpraktiker einzuholen.
Gründe für eine Kastration beim Hund
Allerdings ist nicht von der Hand zu weisen, dass in manchen Fällen eine Kastration vonnöten ist und dem Vierbeiner eine besser Lebensqualität bietet. Einige Rüden neigen nämlich zu einem sehr starken Sexualtrieb (medizinisch: Hypersexualität), sodass sie an ihrer Situation sehr leiden. Das kann mit übermäßiger Aggressivität und deutlichen Verhaltensänderungen in Gegenwart läufiger Weibchen einhergehen. Wenn der Leidensdruck des Vierbeiners enorm ist, dann kann das ein triftiger Grund für diesen Eingriff des Rüden sein. Weitere medizinische Gründe für eine Kastration sind:
Medizinische Gründe bei Rüden:
- Hodenhochstand
- Prostataerkrankungen
- Hodentumore / Perianaltumore
- Dammbruch
Weiterhin wird durch das Entfernen der Geschlechtsorgane bei Rüden mit sehr großer Wahrscheinlichkeit einer Tumorbildung an Hoden und After vorgebeugt. Sowohl Prostatavergrößerungen als auch Dammbrüche, die bei nicht kastrierten Hunden durch eine Erschlaffung des Bindegewebes im Damm entstehen können, kommen bei kastrierten Rüden seltener vor. Zudem haben Rüden, die kastriert wurden, laut Vergleichsstudien eine höhere Lebenserwartung.
Auch bei Weibchen gibt es medizinische Gründe, eine Kastration durchzuführen. Abgesehen von der ungewollten Vermehrung und dem regelmäßigen Blutfluss, wird dadurch Scheinträchtigkeiten und Tumoren an den Geschlechtsorganen vorgebeugt. Das Risiko für eine Brustkrebserkrankung ist bei kastrierten Hündinnen deutlich geringer.
Medizinische Gründe bei Weibchen:
- Pyometra (Gebärmuttervereiterung)
- Scheinschwangerschaften mit Verhaltensauffälligkeiten
- Tumore an Eierstock oder Gebärmutter
- Scheidenvorfall
- Krankheiten, die durch die Sexualhormone beeinflusst werden wie Diabetes mellitus, Scheidentumore, hormonell bedingte Hauterkrankungen
- Als Vorbeugung vor Gesäugetumoren
Wie verläuft eine Kastration beim Hund?
Die Kastration ist ein Eingriff unter Narkose. In der Regel bringt der Besitzer seinen Hund früh morgens nüchtern in die Tierarztpraxis oder Tierklinik. Abschließend wird der Patient in den Operationsbereich geführt, ohne die Begleitung des Besitzers. Da muss der Vierbeiner nun alleine durch.
Zunächst wird die Narkose eingeleitet. Die meisten Tierärzte greifen auf eine Inhalationsnarkose zurück, da dies die sicherste Narkoseform ist. Der Hund wird während der Narkoseeinleitung und auch während der gesamten Operation durch das medizinische Team und auch angeschlossene Maschinen überwacht.
Kastrationsablauf bei Rüden:
- Bei Rüden werden durch einen kleinen Schnitt die Hoden entfernt. Der Hodensack bildet sich nach einiger Zeit wieder zurück, daher ist die Entfernung des Hodensacks nicht nötig. Es würde nur zu einem größeren Schnitt mit längerer Heilungsperiode führen.
Kastrationsablauf bei Weibchen:
- Bei Weibchen kann die Operation schon etwas aufwendiger sein, da sowohl Eierstöcke entfernt als auch die Eileiter durchtrennt werden müssen. In manchen Fällen kann auch die Entnahme der Gebärmutter sinnvoll sein. Das wird je nach Fall und Zustand der Patientin entschieden.
- Werden nur die Eileiter durchtrennt, handelt es sich nicht mehr um eine Kastration, sondern um eine Sterilisation. Kastrierte Weibchen werden nicht mehr läufig, trächtig oder scheinträchtig. Sterilisierte Weibchen hingegen bleiben läufig, auch wenn sie sich nicht mehr fortpflanzen können.
Nach dem Eingriff wird der Hund noch einige Zeit überwacht, um auf Nummer sicher zu gehen, dass die Narkose keine Folgen hat. Gegen Nachmittag kann der Vierbeiner in der Regel wieder von Frauchen oder Herrchen abgeholt werden. Vom Tierarzt wird er mit Schmerzmitteln versorgt, so dass er die Wundheilung kaum spürt.
Es ist nicht auszuschließen, dass der Vierbeiner den Rest des Tages noch leicht betäubt und etwas wacklig auf den Beinen ist. Das sollte am nächsten Tag wieder nachlassen. Wer seinen Hund kastrieren lassen möchte, sollte sich darüber im Klaren sein, dass auch dies ein chirurgischer Eingriff ist. Dazu gehören Spritze, Narkose und auch ein kurzer stationärer Aufenthalt mit anschließender Medikation.
Eine Kastration oder Sterilisation sollte auf jeden Fall mit dem Tierarzt des Vertrauens besprochen und die vor und Nachteile abgewogen werden.
Alternativen zur Kastration des Hundes
Für Rüden gibt es mittlerweile einen gut erprobten und häufig eingesetzten Kastrationschip. Dieser Chip ist eine gute Alternative zur Operation. So kann man im Voraus testen, wie der Hund sich verhalten würde, wenn er kastriert sei.
Der Chip enthält einen Wirkstoff, der freigesetzt wird und den Rüden zeugungsunfähig macht. Nebenwirkungen sind kaum vorhanden und die Dauer der Anwendung kann auf 6 oder 12 Monate begrenzt werden. Das empfiehlt sich als Test vor allem für alle Hundehalter, die wegen Verhaltensauffälligkeiten ihren Hund kastrieren möchten.
Einen ähnlichen Chip gibt es auch für Hündinnen, allerdings ist die Wirkung noch nicht so gut erwiesen und auch über die Nebenwirkungen kann nicht viel gesagt werden. Daher wird der Chip für Hündinnen auch nur selten eingesetzt.
Eine Alternative könnte die „Anti-Baby-Pille“ sein, ein Präparat, das die Läufigkeit der Hündin unterdrückt. Allerdings sind sowohl Wirkung als auch Nebenwirkung auch hier nicht gut genug erforscht. Außerdem wird eine Häufung von bösartigen Tumoren an den Milchdrüsen mit dieser Behandlung in Verbindung gebracht. Daher empfehlen wir diese Anwendung nicht.
Natürliche Mittel zur Beruhigung des Hundes
Sind Angst, Aggression, Rivalität oder Hyperaktivität und überdrehtes Verhalten der Grund, warum Du Deinen Hund kastrieren möchtest, so kannst Du zunächst mit natürlichen Mitteln versuchen, Deinen Vierbeiner zu beruhigen.
Natürliche Kräutermischungen: Naturreine Kräutermischungen wirken entspannend und ausgleichend und werden aus altbewährten Heilpflanzen hergestellt. AniForte® Calm&Relax ist so eine traditionelle Kräutermischung und enthält ausschließlich rein natürliche Rohstoffe wie Baldrian, Hopfen, Melisse und Passionsblume.
Bachblüten: Aber auch Bachblüten sind eine gute Möglichkeiten, das Verhalten Deines Raudis zu besänftigen. Bachblüten für Hunde gibt es für unterschiedliche Verhaltensauffälligkeiten. Sie haben keinerlei Nebenwirkungen und sind eine gute Unterstützung bei Unruhe, Aggressivität, Angst oder in ungewohnten Situationen.
Hanfprodukte: Hanf feiert seit einiger Zeit ein Comeback als natürliches Beruhigungsmittel, sowohl bei Menschen als auch bei Tieren. Zusätzlich enthält Hanf viele Mineralien, wichtige Fettsäuren und nützliche Eiweiß-Bausteine, die sich positiv auf die Gesundheit Deines Lieblings auswirken. Hanfkekse für Hund sind eine praktische Alternative zu Öl und Pulver und können als Leckerli gegeben werden.
Fazit
Den Hund kastrieren klingt oft einfach und nach einer Möglichkeit mehrere Fliegen mit einer Klatsche zu schlagen. Allerdings ist es nur in wenigen Fällen auch eine gute Idee. Das Denkmuster „Man täte dem Hund damit ja etwas Gutes“ ist aufgrund zunehmender wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht mehr zutreffend und müsste neu überdacht werden. Wir empfehlen sowohl Tierhaltern als auch Tierärzten eine gründliche Recherche zum Thema Kastration beim Hund, bevor die Entscheidung endgültig gefällt werden kann. Das kann nur individuell betrachtet werden. Tierärzte sollten weniger den Blick auf den finanziellen Gewinn bei diesem Thema richten, sondern auf das Wohl des Hundes.
- (0) https://www.tierschutzbund.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Positionspapiere/Heimtiere/Unfruchtbarmachung_von_Hunden.pdf
- (1) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/9691849/
- (2) https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0055937
- (3) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/8175472/