Die Weidezeit gehört zu den Grundbedürfnissen des Pferdes, auch wenn viele Pferdebesitzer, ihr Tier lieber in der Box oder im Stall halten. Möchtest Du Dein Pferd nach einem Stallwinter wieder auf der frischen Frühjahrsweide grasen lassen, empfehlen wir Dir eine behutsame Umstellung. Pferd raus aus der Box und direkt auf die Wiese kann schnell nach hinten losgehen.
Warum muss man das Pferd anweiden?
Nur wenige Pferde kommen im Winter in den Genuss einer Winterweide. Daher besteht die Hauptnahrung der Pferde über den Winter aus Heu oder/und Heulage und Kraftfutter. Vielen Tieren werden zusätzlich mineralstoffreiche Ergänzungen zugefüttert. Dadurch ist eine Vielzahl an zellulosezersetzenden Bakterien im Magen und Darm des Tieres gewachsen, die auch für die Aufspaltung des Winterfutters wichtig sind.
Weidegras im Frühjahr hingegen ist nährstoffarm, dafür aber reich an Futtereiweißen und Kohlenhydraten, den bei Pferdebesitzern gefürchteten Fruktanen. Daher muss die Darmflora des Pferdes sich auf den Futterwechsel langsam umstellen und die Bakterien für die Zersetzung von Weidegras müssen sich langsam entwickeln. Beginnt die Weidezeit für Pferde zu schnell und zu lange, kommt der Magen-Darm-Trakt des Tieres nicht mit der Verarbeitung des eiweiß- und kohlenhydratreichen Grüns hinterher. Es kann zu einem gefährlichen Eiweiß- und Zuckerüberschuss kommen. Werden überschüssige Mengen im Verdauungstrakt nicht richtig abgebaut, ist die Freisetzung von Giftstoffen die Folge.
Vor allem Pferde mit Gesundheitsstörungen wie Adipositas, Stoffwechselerkrankungen wie PSSM, EMS, Cushing und auch Pferde, die für Hufrehe anfällig sind, sollten noch langsamer angeweidet werden. Manchmal wird auch ein kompletter Verzicht des Weidegangs empfohlen.
Folgen von zu schnellem Anweiden:
- Verdauungsbeschwerden
- Lebensgefährliche Koliken aufgrund von Fehlgärungen und Gasbildung
- Durchfall und Kotwasser zur Reinigung des Darms
- Erhöhte Gefahr einer Hufrehe durch einen Überschuss an Fruktanen und schwerverdaulicher Stärke (Getreide)
- Unkontrollierbare Stoffwechselentgleisungen
- Angelaufene Beine durch vermehrtes Bakteriensterben und Überschuss an Giftstoffen im Körper
Pferde können ganz unterschiedlich auf die Futterveränderung reagieren. Fitte und gesunde Tiere verkraften die Umstellung von Box auf die Koppel deutlich besser als Tiere mit Gesundheitsstörungen. Sie reagieren weniger empfindlich auf die Zunahme von Fruktanen, Eiweißen und pflanzlichen Wirkstoffen im Körper.
Richtigen Anweide-Zeitpunkt wählen
Der richtige Zeitpunkt für das Anweiden des Pferdes liegt in der Regel zwischen März und Mai. Maßgeblich hängt es mit der Länge und Kälte des Winters zusammen. Wenn die Natur wieder aus dem Winterschlaf zurückkehrt und die Wiesen und Weiden sich mit Grün füllen, kann mit dem Anweiden der Pferde begonnen werden. Nach einem Stallwinter sollte dies jedoch besonders behutsam geschehen und einige Punkte müssen berücksichtigt werden, damit das Grasen keine gesundheitlichen Folgen für das Tier hat.
Die wichtigsten Punkte beim Pferde-Anweiden
- Pferde behutsam an die Weide gewöhnen
- Auf keinen Fall direkt den ganzen Tag weiden lassen
- Weder bei zu sonnigem Wetter noch zu kaltem anweiden
- Achtet darauf, dass das Gras nicht zu kurz ist, eine Länge ab 20 cm ist optimal
- Nicht auf gemähter Weide weiden lassen
- Vorzugsweise erst am Nachmittag weiden lassen, vor allem nach frostigen und vereisten Nächten
- Vor dem Weiden mit Heu füttern
- Das Pferd nicht während der Anweidezeit entwurmen – Doppelte Stoffwechselbelastung
- Kraftfutter in der Anweidezeit vermeiden
- Ausreichende Wasserversorgung auf der Weide gewährleisten
- Pferde anweiden mit Gesundheitsstörungen: noch behutsamer und langsamer
- Den Weidegang nach dem schwächsten Tier ausrichten
Auch beim Weidenwechsel innerhalb der Saison bietet es sich an, strukturiert und langsam das Pferd anweiden zu lassen, Flora und Fauna können je nach Gebiet unterschiedlich sein. Sensiblen Pferden kann diese Veränderung auf den Magen schlagen.
Wie lange muss man ein Pferd anweiden? - Der optimale Zeitplan
Damit die Umstellung auf den Koppelgang ohne unerfreuliche Überraschungen erfolgt, sollte man sich einen Zeitplan erstellen. Dabei müssen die Wetterbedingungen mit einbezogen werden, denn die Fruktanwerte im Gras schwanken je nach Tages- und Jahreszeit.
Sonniges Wetter begünstigt den Fruktangehalt im Gras sowie auch frostige Nächte. Gräser, die sich im Wachstum befinden, enthalten in der Regel mehr Fruktan als ausgewachsene Grashalme. Auch Gras, welches das Wachstum unterdrücken muss, aufgrund von Frost, Hitze oder Wassermangel, speichert die produzierte Energie in Form von Fruktan ab. Zudem spielt auch die Art der Gräser eine Rolle, manche Gräser sind fruktanreich, andere wiederum arm.
Daher gelten folgende Bedingungen für den Fruktangehalt in der Pflanze:
Kalte Nächte (unter 10°C) und/oder Frost -> Fruktangehalt hoch
➔ Das Pferd am Nachmittag weiden lassen
Warme Nächte -> Fruktangehalt niedrig
➔ Vorzugsweise morgens grasen lassen
Warmes Wetter mit bedecktem Himmel -> Fruktangehalt mittel bis niedrig
➔ Vormittags oder nachmittags grasen lassen
Auch sollten abgefressene Weiden, frisch gemähte Wiesen und gestresstes Gras zum Anweiden lieber gemieden werden. Durch Stress produziert die Pflanze vermehrt Energie und speichert sie in Form von Fruktan ab.
Die Dauer der Anweidezeit beim Pferd kann somit mindestens 14 Tage bis 4 Wochen andauern. Am ersten Tag sollte das Tier nicht länger als 15-20 Minuten weiden. Kranke und geschwächte Tiere entsprechend kürzer. Es empfiehlt sich auch bei Tieren mit Gesundheitsstörungen, sie zunächst an der Leine einige Minuten grasen zu lassen.
In den nächsten Tagen kann das Anweiden Deines Pferdes in 10-15-Minutenschritten gesteigert werden. So kommt Dein Pferd im Laufe einer Woche auf 1-1,5 Stunden Weidezeit am Tag. Verträgt Dein Liebling diese Umstellung problemlos kannst Du in der zweiten Woche auf 30-Minutenschritte umstellen, sodass Dein Pferd bald schon sowohl vormittags als auch nachmittags problemlos grasen kann.
Merkst Du im Laufe der Umstellung, dass Dein Pferd sich nicht wohl fühlt oder Anzeichen für Verdauungsbeschwerden zeigt, lasse ein bis zwei Tage auf der Weide aus. Die Magen-Darm-Probleme sollten dann abgeklungen sein.
Die richtige Fütterung beim Anweiden – Pferd nicht unterernähren
Vor dem Weidegang sollte stets Heu gefüttert werden. Dann ist der Magen des Pferdes gut gefüllt und es stürzt sich nicht gierig auf das saftige Grün. Auch das Zufüttern von kleinen Mengen frischem Gras kurz vor dem Weidegang unterstützt die Magen-Darm-Tätigkeit und gewöhnt das Tier bereits an das junge Gras.
Pferden, die generell sensibel auf Futterumstellungen reagieren, empfehlen wir eine zusätzliche Futterergänzung mit magenschonenden Nährstoffen. Heucobs mit magenunterstützenden Zusätzen stärken die Magenschleimhaut und helfen bei vorübergehenden Magenproblemen. Zusätzlich können vor dem Anweiden Flohsamenschalen eingeweicht und dem Futter untergemischt werden. Durch ihre hohe Quellstoff- und Wasserbindungsfähigkeit senken sie das Hungergefühl und fördern die Darmtätigkeit. Möchtest Du den Aufbau von Darmbakterien bei Deinem Pferd unterstützen, dann bietet sich eine Rundumversorgung mit Hefekulturen sowie prebiotischen Nährstoffen an. Vor allem Bierhefe und Topinambur haben sich bei der Fütterung von magensensiblen Pferden bewährt.